Kaithlyn war also tatsächlich mit den anderen Rittern hier. Das konnte ja heiter werden. Zugegebenermaßen würde sie mit ihren Sprungfähigkeiten wohl eher auf diejenigen zielen, die sich um die Schützen kümmerten, aber was Korina nicht wusste, war, dass ihre Schwester den Rabenteufel für den Mörder ihrer Familie hielt (was ehrlich gesagt auch der Fall war), also würde die Ritterin ihre Prioriäten sehr schnell neu ordnen, wenn sie die Schnabelmaske sah.
Irgendwas fand Korina auch merkwürdig an Amens Tonfall. War das etwa Bewunderung? Ihr gefiel der Gedanke nicht, dass er sich in ihre Schwester verguckt hatte.
Jedenfalls sagte sonst niemand mehr etwas zum Einsatz, das Thema war wohl beendet.
"Also, sind alle einverstanden mit dem Plan? Okay, dann können wir uns an die konkreten Vorbereitungen machen. Ich geh jetzt die Zutaten für die Rauchbomben kaufen. Hey Wirt, kann ich dann die Küche für die Herstellung benutzen?"
Der Wirt machte für einen Moment einen Gesichtsausdruck, so als ob gerade ein Hund sein Revier auf seinem Schuh markiert hätte, dann erwiderte er mürrisch: "Ach, mir doch egal, was ihr mit dem Laden hier anstellt, solange ich meinen Lohn kriege."
"Super, danke!" sagte Korina mit einem verschmitzten Lächeln und wandte sich zum gehen. Da kam Viska auf sie zu.
"Ich komme mit! Bei Tag sieht der Platz noch einmal anders aus und bis zur Feier möchte ich mir nochmal kräftig den Magen vollschlagen - danach wird das nicht mehr so einfach gehen."
Sie hatten gerade erst gefrühstückt, und sie dachte schon wieder ans Essen? War in ihrem Magen etwa ein Portal zur Geisterwelt, durch dass sich Feen an ihren Mahlzeiten bedienten? Na ja, Egal. Korina selbst hatte nicht viel gefrühstückt, nur zwei Brötchen, da brauchte sie sowieso noch was.
"Gerne. Ich wollt mir ja ebenfalls den Platz ansehen. Außerdem ist alles zu zweit leichter zu tragen." sagte sie mit einem Lächeln. Oder zu dritt, denn Noire trat ebenfalls vor, aber ohne irgendwas zu sagen.
Bevor sie los konnten, überreicht Korina noch ihr Schwert an Amen, die Wachen am Killiusplatz würden sie wohl nicht mit dem Ding am Gürtel durchlassen.
"Keine Sorge. Es ist zwar verflucht, aber an mich gebunden. Du kannst es ohne Gefahr anfassen." entwarnte sie ihn.
Jetzt begab sich das Trio bestehend aus Korina, Viska und Noire also zum Killiusplatz. Die Wachen ließen sie ohne Probleme durch. Während Viska sich nach den Essensständen umsah, fiel Korinas Blick auf die Menschenmenge bei der Bühne. Aus der Masse heraus stachen einige Leute heraus, dank ihrer glänzenden Rüstungen und der Tatsache, dass sie auf Pferden saßen und damit um einiges höher postiert waren als die zu Fuß gehenden Zuschauer. Aus der Entfernung ließen sich nicht viele Details ausmachen, doch da die Ritter keine Helme trugen, konnte man sehen, dass eine von ihnen lange, schwarze Haare hatte. Für Korina bestand kein Zweifel. Das musste Kaithlyn sein. Sie warf sich ihre Kapuze über den Kopf und wandte ihren Blick ab. Es war zwar sehr unwahrscheinlich, dass ihre Schwester sie aus dieser Entfernung erkennen konnte, aber sicher ist sicher.
Sie ließ den Blick über den Platz schweifen. Die Gebäude an den Ost- und Weststraßen waren wohl, wo sich die Schützen aufhalten würden. Heute Abend, wenn das Fest richtig los ging und Niccolo seine Rede hielt, würde der Platz noch voller sein als jetzt, was das vorankommen zu Fuß schwerer machen würde. Aber die Straßen waren breit, bei einer panischen Flucht der Massen wegen eines Dämones und einer Ermordung würde sich der Platz also schnell leeren. Am besten sollte Korina nachprüfen, ob man sich an den Ständen am Rand des Platzes vorbei und in die Seitenstraßen begeben konnte, dort war man nicht so im Blickfeld, um im Chaos wäre es bestimmt auch leicht, dorthin zu gelangen, ohne gesehen zu werden. Besonders, wenn man in einer Rauchwolke verschwand.
Korina wandte ihren Blick nochmal in Richtung der Bühne, und erstarrte. Eine bestimmte Person bewegte sich von der Bühne weg - und änderte plötzlich die Richtung, als er Korinas Gruppe bemerkte. Korina fürchtete ihn zwar nicht so sehr wie Kaithlyn, aber dass
er hier war, und noch schlimmer, möglicherweise Korina entdeckt hatte, machte die Situation nicht angenehmer.
Während das Dunkelschwingen-Trio den Platz erkundete, waren die Pegasusritter damit beschäftigt, ihren Fans die Hände zu schütteln..
"Schön zu sehen, dass wir Fahrende Ritter die Anerkennung erhalten, die uns gebührt." sagte Enoch, der momentan eine Pause von der Aufmerksamkeit hatte, weil er so eben einen Mann für das üble Verbrechen angeblafft hatte, ihn ein "wunderhübsches Fräulein" zu nennen.
"Ich hatte ja erwartet, dass die Großstädter nur vor ihren kaiserlichen Schwarzen Rittern mit dem Schwanz wedeln und uns im Staub liegen lassen."
"Aber, aber, mein Schüler, der Fürst hat uns aus guten Grund angestellt. Wir sind den Leuten als mehr als nur arme Rittersleut bekannt, die nicht dem Reichsheer angehören. Man weiß, dass wir das telvanische Ideal verkörpern, durch Stärke in Frieden und Sicherheit zu leben." antwortete sein Lehrmeister, Sir Thonystan, darauf. Den letzten Teil sagte er besonders laut, und die Zuschauer jubelten dem patriotischen Paladin zu.
"Außerdem sind wir hier nicht für Ruhm da." erklärte Kaithlyn.
"Wir sind Ritter geworden, um die Schwachen zu beschützen und so an Stärke zu gewinnen. Wenn du des Publikums wegen in die Schlacht reiten willst, solltest du lieber zur Armee gehen." Ihr Cousin besaß zwar Tapferkeit und Willenskraft, wofür sie ihn respektierte und schätzte, aber es mangelte ihm ein wenig an Edelmut.
Der Rauchritter, der das mitgehört hatte, warf ihr einen missmutigen Blick zu, sagte aber nichts. Da Kaithlyn keine gebürtige Telvanierin war, kam ihr diese Verehrung des Militärs eher schleierhaft vor. Man kämpfte, um dass, was einem wichtig ist, zu schützen, oder einfach, um stärker zu werden. Wer Heldentaten vollbrachte, hatte es ja verdient, dafür gelobt zu werden, aber nur für dieses Lob zu kämpfen, war dumm. Ein Bäcker würde sich ja auch für seinen Beruf entscheiden, um die Leute zu ernähren, nicht, weil er sich für seine Brotbackkünste Lob erhoffte.
Enoch begann auf einmal, zu husten.
"Oh, Mann, heute geht's mir ja mal wieder nicht so rosig..." keucht er und griff an seinen Gürtel, nahm von dort eine kleine, mit einer roten Flüssigkeit gefüllte Flasche, und trank ihren Inhalt in einem Zug aus.
"Schon besser. Meister, ist es in Ordnung, wenn ich mir ein bisschen die Beine vertrete?"
"Aber natürlich, Enoch. Heute Abend musst du schließlich in bester Verfassung sein." Einen leicht kränklichen Schüler zu haben konnte zwar manchmal schwierig sein, aber Enochs Talent war unverkennbar, da lohnte es sich, ihm bei solchen Momenten der Schwäche entgegenzukommen.
"Es geht ihm in letzter Zeit generell nicht so gut," sagte Ciel besorgt,
"Hoffentlich wird er uns heute Abend nicht zur Last.
Der Knappe, der im Gegensatz zu den Rittern keine volle Rüstung trug, sondern nur einen Brustpanzer sowie Ärmel und eine Hose aus Kettengewebe, stieg von seinem Pferd und begab sich weg von der Menschenmenge. Seine etwas krasse Reaktion darauf, eine Frau genannt zu werden, sorgte dafür, dass die Leute ihm Platz machen. Am besten ging er vom Killiusplatz weg, und suchte sich ein ruhiges Plätzchen, um Energie zu tanken. Er hatte nämlich nicht das Gefühl, dass die kleine Ration an "Medizin" für heute genug war. Er war also in Richtung des Südausgangs unterwegs, als er in der Menschenmenge eine ihm altbekannte Wärmesignatur spürte. Konnte es denn sein, dass seine andere Cousine heute auch hier war?
"Lass uns weitergehen, okay?" sagte Korina kurzatmig und zerrte sogar leicht an Viskas Ärmel, obwohl sie solche Nähe zu anderen normalerweise mied. Aber es war zu spät. Enoch war hier.
"Oh, wenn das mal nicht meine Lieblingscousine ist!" sagte er und legte einen Arm um Korinas Schulter, wodurch diese ein schrilles, ersticktes Keuchen von sich gab und sich ruckartig von ihm wegbewegte.
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